Equus

Premiere:  18.04.2012 - Schauburg Ibbenbüren

 
Ibbenbürener Volkszeitung vom 20. April 2012
Psychodrama beeindruckt das Publikum

Traum oder Realität? Als Dr. Martin Dysart einen 17-Jährigen behandelt, der in einer Nacht sechs Pferden die Augen ausgestochen hat, gerät er selbst immer mehr in den Strudel psychischer Abgründe. In der Schauburg inszenierte das Quasi-So-Ensembles bei seiner "Equus"-Premiere eine höchst surreale Atmosphäre.

Ibbenbüren. Alan Strang (Florian M. Pletz), hat in einer Nacht sechs Pferden die Augen ausgestochen. Der 17-Jährige wird für Psychiater Dr. Martin Dysart (Stefan Erdmann) zu einem besonders schwierigen Fall. Dysart soll die Beweggründe herausfinden, eine Aufgabe, die ihn mit Abgründen in seinem eigenen Inneren konfrontiert. Wie kann es sein, dass er davon träumt, bei einem mythischen Opferritual Kinder aufzuschlitzen? Er – ein erfolgreicher Psychiater, der schon viele Patienten erfolgreich therapiert hat?

In seinem Psychodrama „Equus“ wollte der Autor Peter Shaffer eine mentale Welt schaffen, in der die eigentlich unbegreifliche Tat verständlich gemacht werden könne, wie er selbst in einer Notiz zu seinem Stück anmerkte. Es beschreibt den Geisteszustand des emotional gestörten Stalljungen, seine Schwierigkeiten und inneren Ängste. Klemens Hergemöller hat als Regisseur mit dem professionell auftretenden Ensemble des Quasi-So-Theaters und den Technikern eine Welt geschaffen, in der Realität und Traum ineinander übergehen. Dem Zuschauer blieb die Aufgabe, in den einzelnen Ebenen der Handlung den Überblick zu behalten, was aufgrund des offenen Bühnenbildes (Klemens Hergemöller) nicht schwerfiel. Das Lichtdesign und die Musik (Technische Leitung: Imke Strothmann) unterstrichen die surreale Atmosphäre des Geschehens. Wenn die Pferde mit ihren beleuchteten Köpfen (Herstellung: Imke Strothmann) aus dem Hintergrund traten, stellte sich ein beklemmendes Gefühl ein. Der wilde Ritt Alans am Strand mit Tobias Stöttner als Pferd und Reiter beeindruckte nachhaltig, ebenso die symbolstarke Schlussszene mit den rot aufleuchtenden Augen der Pferde.

Als Jugendrichterin Hester Salomon (Yvonne Grüner) um Hilfe für Alan anfleht, lehnt Dysart zunächst ab. „Vielleicht ist er ein Monster, du musst herausfinden, was mit ihm los ist“, fordert sie ihn auf. Dysart willigt widerstrebend ein, und Alan wird von einer Krankenschwester (Stephanie Geesen) in den Raum geführt.

Der Jugendliche agiert provozierend, wirkt jedoch auch verstört. Das hervorragende Spiel des jungen Darstellers macht seine Verwirrung und seine Ängste in Mimik und Gestik deutlich. Mit seiner sicheren Sprachbeherrschung ist er allen Herausforderungen der schwierigen Rolle gewachsen. Florian M. Pletz kann bereits auf längere Theatererfahrung verweisen, das ist ihm anzumerken. Der Übergang vom leisen Flüstern zum Schrei gelingt ihm scheinbar mühelos. Die anderen Ensemblemitglieder glänzten ebenfalls mit starken Leistungen, ein paar Versprecher waren wohl der Premieren-Anspannung geschuldet. Anna Lefmann war in einer Doppelrolle als Mutter Dora und Alans Freundin Jill Mason zu sehen und konnte die gegensätzlichen Figuren bestens unter einen Hut bringen.

„Der Junge leidet, vielleicht schon sein ganzes Leben lang“, muss Dysart feststellen. Er erlebt die kontroversen Ansichten der Eltern zwischen der tiefen Frömmigkeit der Mutter (Anna Lefmann) und dem Vater (Stefan König), der die ständige Präsenz von Bibelzitaten für Alans Tat verantwortlich macht. Es erklärte jedoch nicht die enorme Grausamkeit, mit der Alan vorging. Die Gründe offenbaren sich nach und nach, zurück bleibt Bestürzung.
Nach der Premiere von „Equus“ zeigte sich, dass es in Ibbenbüren ein Publikum für anspruchsvolles Theater jenseits von Boulevard und Mainstream gibt. Die Zuschauer schwelgten nach dem langen Schlussapplaus in Superlativen.